Forschung

MODELLORGANISMEN

BORKENKÄFER

Borken- und Ambrosiakäfer sind Rüsselkäfer, die sich in Pflanzen einbohren und eine spezielle Lebensweise entwickelt haben. Sie verbringen einen Großteil ihres Lebens in Holz, vom Ei über das Larven- und Puppenstadium bis hin zum adulten Käfer. Die meisten Arten bevorzugen totes Holz als Lebensraum. Nur wenige Arten können die Abwehr eines lebendigen Baumes überwinden und ihn bewohnen, doch einige dieser Arten sind ernst zu nehmende Waldschädlinge und haben große ökologische und ökonomische Auswirkungen.

Verwendung des Begriffs 'Borkenkäfer'

Der Begriff ‚Borkenkäfer‘ wird mit zwei Bedeutungen verwendet. Die streng taxonomische Bedeutung bezieht sich auf die Unterfamilie Scolytinae innerhalb der Rüsselkäfer (Familie Curculionidae). Die ökologische Bedeutung wird für diejenigen Arten der Scolytinae benutzt, die sich im Inneren der Baumrinde vermehren und dort die typischen Tunnelmuster hinterlassen („Galerien“). Dies trifft nicht auf alle Scolytinae zu, da einige Arten andere Teile ihrer Wirtspflanze bewohnen.

Käfer der Unterfamilie Platypodinae (Kernholzkäfer) ähneln in ihrer Lebensweise und Morphologie denen der Unterfamilie Scolytinae (Borkenkäfer). Dies ist ein Fall konvergenter Evolution, da von einem taxonomischen Standpunkt aus Scolytinae und Platypodinae zwei unterschiedliche Unterfamilien der Rüsselkäfer sind. Aktuell sind ca. 6000 Arten der Scolytinae und 1400 Arten der Platypodinae beschrieben.

Einige Arten der Scolytinae und fast alle Arten der Platypodinae bohren Tunnel im inneren Holz von Bäumen. Diese Arten leben mutualistisch mit Pilzen, die sie auf den Wänden ihrer Tunnel aufziehen und von denen sie sich ernähren. Rüsselkäfer, die sich ausschließlich von Pilzen ernähren, werden unter dem Begriff ‚Ambrosiakäfer‘ zusammengefasst. Dabei handelt es sich nicht um eine taxonomische, sondern um eine ökologische Bezeichnung.

Alle Scolytinae und Platypodinae zusammen werden normalerweise als Borken- und Ambrosiakäfer bezeichnet. Verwirrenderweise wird manchmal aber nur der Begriff Borkenkäfer für alle Scolytinae und Platypodinae Käfer benutzt. Auf dieser Website wird die Terminologie in einem ökologischen Sinn verwendet, es werden also die Rüsselkäfer, die in der inneren Rinde leben, als Borkenkäfer bezeichnet, und pilzanbauende Rüsselkäfer als Ambrosiakäfer.

Biologie der Borkenkäfer

Alle Borkenkäfer sind relativ klein, meist mit einer Größe zwischen 2 und 5 mm. Die Morphologie ihrer zylindrischen, bräunlichen Körper ist gut an ihre Lebensweise in den engen Gängen im Holz angepasst. Borkenkäfer fressen die innere Rinde von Stämmen und Ästen (Phloeophagie). Einige Arten nehmen auch ein wenig des inneren Holzes zu sich. Manche Arten transportieren Pilzsporen zu den Bäumen, die sie bewohnen, die Pilze wachsen dann ins Innere des Holzes und reichen die Borke, von der sich die Käfer ernähren, mit Nährstoffen an (Phloeomycetophagie).

Es gibt drei verschiedene Wirtspräferenzen bei Borkenkäfern. Der Großteil der Borkenkäfer bewohnt frisch abgestorbenes Holz, z.B. durch Wind umgestürzte Bäume oder abgestorbene Äste. Etwa ein Dutzend Borkenkäferarten sind aggressiv, das bedeutet, dass sie lebende Bäume zum Absterben bringen können, indem sie die (meist chemische) Abwehr ihrer Wirte überwinden. Diese Arten verursachen den meisten wirtschaftlichen Schaden in Wäldern, und es überrascht nicht, dass sie die am besten untersuchten Arten sind. Aggressive Borkenkäfer durchlaufen typischerweise ausgeprägte Populationsdynamiken. Während einer endemischen Phase, die mehrere Jahre dauern kann, bestehen die Populationen aus sehr wenigen Individuen, die nur kranke Bäume befallen. Wenn jedoch beispielsweise ein Sturm oder eine Dürre viele Bäume eines Waldes schwächt oder absterben lässt, wächst die Population der Borkenkäfer schnell und erreicht schließlich eine epidemische Phase, in der die Käfer viele gesunde Bäume befallen und töten können. Dieser Phase folgt normalerweise ein plötzliches Zusammenbrechen der Population, dessen zugrundeliegende Mechanismen bisher nicht erklärt werden können. Eine dritte Gruppe der Borkenkäfer, die nur wenige Arten umfasst, sind Parasiten lebender Bäume. Sie bewohnen in kleiner Anzahl lebende Bäume ohne ihre Wirte zu töten.

AMBROSIAKÄFER

Was hat Ambrosia mit Käfern zu tun? Nun, die Nahrung der Ambrosiakäfer riecht süßlich und hat eine gelbliche Farbe, was ihren Entdecker an die Delikatesse der griechischen Götter denken ließ. Der Augustinermönch Josef Schmidberger entdeckte Ambrosiakäfer in den Bäumen des Klostergartens von Sankt Florian nahe Linz (Österreich). Die süßlich riechende Substanz in den Käfernestern war ein Pilz, was der Mönch Schmidberger 1836 jedoch noch nicht erkannte. Heute wissen wir, dass Ambrosiakäfer die Pilze, von denen sie sich ernähren, nicht nur anpflanzen, sondern sie auch aktiv pflegen: Sie sind eine der wenigen Insektengruppen, die Landwirtschaft entwickelt haben.

Pilzanbau

Der Begriff ‚Ambrosiakäfer‘ ist keine taxonomische, sondern eine ökologische Bezeichnung. Er bezieht sich auf die 3500 Arten innerhalb der Unterfamilien der Käfer Platypodinae und Scolytinae, die Pilze als Nahrung anbauen. Wie die Borkenkäfer sind Ambrosiakäfer nur wenige Millimeter groß, haben eine bräunliche Färbung und zylindrisch geformte Körper, die an ein Leben in den Tunneln angepasst sind. Im Gegensatz zu Borkenkäfern (siehe oben), bauen Ambrosiakäfer ihre Tunnel jedoch nicht in der inneren Rinde der Bäume (Phloem). Stattdessen bewohnen sie das Holz von Stämmen und Ästen, das unter der Rinde liegt und weniger nährstoffreich ist. Ambrosiakäfer haben aber eine Lösung für diese Herausforderung gefunden: Anstatt sich direkt vom Holz zu ernähren, pflanzen sie Pilze an den Tunnelwänden und Kammern, die sie graben. Diese Pilze durchdringen dann das Holz, häufen Nährstoffe an und dienen dem Käfer als einzige Nahrungsquelle. Die Pilze wiederum sind abhängig von den Käfern, die ihre Sporen in einem speziellen sporentragenden Organ (Mycetangium) in neue Nester transportieren. Das ist ein Beispiel für interspezifischen Mutualismus, eine enge Beziehung zwischen zwei Arten mit gegenseitigem Nutzen. Innerhalb ihres natürlichen Lebensraumes besiedeln Ambrosiakäfer nur abgestorbene Bäume. Einige Arten, die versehentlich durch Menschen aus ihrer natürlichen Umgebung in andere Lebensräume verschleppt wurden, wurden dort jedoch invasiv und befallen und töten nun auch lebende Bäume.

Soziale Lebensweise

Der Aufbau und die Pflege eines gesunden Pilzgartens sind sehr arbeitsintensiv. Ambrosiakäfer haben einen hohen Grad an innerartlicher (intraspezifischer) Kooperation entwickelt: Sie leben in sozialen Gruppen und teilen die verschiedenen Arbeiten innerhalb des Nests zwischen Mitgliedern der Gruppe auf. Solch eine soziale Lebensweise ist bei keiner anderen Käferart bekannt. Im Gegensatz zu den klassischen eusozialen Insekten, wie Bienen, Ameisen oder Termiten, behalten die Arbeiterinnen der Ambrosiakäfer jedoch die Fähigkeit, sich fortzupflanzen, sie sind also nicht steril. Eine Ausnahme ist vermutlich die Ambrosiakäferart Austroplatypus incompertus, die in Australien heimisch ist. Es wird angenommen, dass dieser Käfer eine obligat soziale Lebensweise hat, es also eine Königin gibt, die sich fortpflanzt, und viele sterile Arbeiterinnen. Dies wurde jedoch noch nicht im Detail untersucht. Bei allen anderen bisher bekannten Ambrosiakäfern geben die weiblichen Gruppenmitglieder die Fortpflanzung ‚freiwillig‘ auf, zumindest für einige Wochen. Während dieser Zeit bleiben sie bei ihrer Mutter und ihren Schwestern im Geburtsnest und helfen beim Anbau der Pilze. Erst später fliegen sie aus und gründen ihre eigenen Nester. Das macht Ambrosiakäfer zu interessanten Modellorganismen: Man kann an ihnen sehr gut die Faktoren untersuchen, die zur Evolution einer sozialen Lebensweise führen, da man testen kann unter welchem Umständen totipotente Weibchen länger bei ihrer Familie bleiben und dieser helfen, und wann sie früher ausfliegen um unabhängig selbst zu brüten. Männchen spielen normalerweise eine geringe Rolle für den Pilzanbau: Ihre einzige Aufgabe ist es, sich mit ihren Schwestern zu paaren bevor diese ausfliegen und ihre eigenen Familien gründen.

Der Ambrosiakäfer X. saxesenii

In unserer Arbeitsgruppe werden die meisten Studien am Kleinen Holzbohrer Xyleborinus saxesenii Ratzeburg durchgeführt. Obwohl diese Art überall in Zentraleuropa verbreitet ist, ist sie außerhalb der Wissenschaft kaum bekannt. Das liegt vor allem daran, dass der Kleine Holzbohrer, wie alle Ambrosiakäfer, den Großteil seines Lebens versteckt in Nestern im Kernholz der Bäume verbringt und sehr winzig ist. Weibchen der Art Xyleborinus saxesenii sind etwa 2 mm groß, Männchen etwa 1,5 mm. Eine außergewöhnliche Entdeckung bei X. saxesenii ist, dass sogar schon die Larven sich an Instandhaltungsarbeiten im Nest beteiligen. Solch eine Arbeitsteilung zwischen Larven und erwachsenen (adulten) Käfern ist bei keiner anderen Insektenart aus der Gruppe der holometabolen Insekten bekannt. Als holometabol werden all jene Insekten bezeichnet, die im Laufe ihrer Entwicklung eine vollständige Metamorphose durchlaufen und bei denen die madenartigen Jungtiere wenig äußerliche Ähnlichkeit mit den erwachsenen Insekten haben.

An ambrosia beetle larva forming frass into a ball, which the adult beetles can subsequently dispose. © Peter Biedermann

SPIRALGALLENLÄUSE

Die Spiralgallenlaus (Pemphigus spyrothecae Passerini) ist monophag, was bedeutet, dass sie nur an einer einzigen Pflanze frisst. Ihr Wirt ist die Schwarz-Pappel (Populus nigra L.), eine Baumart Zentraleuropas.

Spiralgallenläuse sind soziale Insekten und leben in Familiengruppen. Im Frühjahr schlüpfen die weiblichen Läuse aus befruchteten Eiern, die auf dem Baum überwintert haben. Wenn die ersten Blätter sprießen, lösen die sogenannte Fundatrices (koloniegründende Läusemütter) die Bildung von Gallen (knotenartige, hohle Strukturen) in den Blattstielen aus. Diese werden dann von den Läusen in sozialen Gruppen bewohnt und gemeinsam verteidigt. Innerhalb der Pflanzengalle vermehrt sich die Fundatrix asexuell, oder genauer gesagt parthenogenetisch. Das bedeutet, dass sie ohne vorherige Befruchtung Nachkommen hervorbringt. Läuse sind hemimetabole Insekten, sie machen also im Zuge ihrer Entwicklung nur eine unvollständige Metamorphose durch und die Larven ähneln bereits den erwachsenen (adulten) Läusen. Es wurden zwei unterschiedliche Morphen der Larven beobachtet. Zusätzlich zu den normalen Morphen, die später reproduktiv werden, gibt es Soldaten, die dickere Beine und ein Stilett haben, mit dem sie das Nest aggressiv verteidigen. Das ist besonders wichtig, wenn die Läuse kleine Ausgänge in ihre Pflanzengalle bohren, damit die geflügelten Läuse (Alaten) das Nest verlassen können.

Zwei Faktoren waren vermutlich bedeutend für die Evolution von Sozialität bei Spiralgallenläusen. Erstens sind alle Läuse innerhalb einer Kolonie durch die parthenogenetische Fortpflanzung sehr eng miteinander verwandt – tatsächlich sind sie Klone, die die gleichen Gene tragen – was Kooperation begünstigt (Verwandtenselektions-Theorie). Zweitens ist eine Pflanzengalle ein sehr wertvolles Heim. Es ist den Läusen nur in einem engen Zeitfenster im Frühling möglich, die Gallenbildung in den Blattstielen einzuleiten, und ohne Verteidigung sind die Pflanzengallen anfällig für Jäger.

Die geografische Verbreitung der Spiralgallenlaus liegt in Europa, Nordafrika (Tunesien), Westsibirien, Pakistan und einigen Orten in Kanada.

Die Wirte der Spiralgallenlaus, die Schwarz-Pappel, werden nicht nur von Läusen, sondern von verschiedenen pflanzenfressenden Insekten bevölkert. Um sich gegen diese Kontrahenten zu verteidigen, nutzen die Bäume chemische Mittel, z.B. den Ausstoß von flüchtigen organischen Verbindungen. Abgesehen vom Befall durch Pflanzenfresser werden die Pappeln auch von Pilzen infiziert.

SCHILDKÄFER

Käfer des Tribus Cassidini werden üblicherweise als Schildkäfer bezeichnet. Der Tribus umfasst etwa 40 Gattungen weltweit und ist einer der größten in der Unterfamilie Cassidinae, die wiederum zur Familie der Chrysomelidae, der Blattkäfer, gehört. Einige der tropischen Arten zeigen Brutpflege, doch die europäischen Arten, die wir untersuchen, brüten solitär.

Schildkäfer sind benannt nach der abgeflachten Körperform der erwachsenen (adulten) Käfer. Ihre Flügeldecken sind an den Körperkanten verbreitert, wodurch sie einer Schildkröte ähnlich sehen. Die abgeflachten Flügel sind eine Anpassung, welche die Käfer gegen Fressfeinde wie beispielsweise Ameisen schützt: Diese können die Käfer so nicht anheben und davontragen. Zusätzlich besitzen Schildkäfer Borsten an den Tarsen ihrer Füße, mit denen sie sich fest an ein Blatt anheften können.

Wie bei allen holometabolen Insekten (Insekten mit vollständiger Metamorphose) unterscheiden sich die Larven in ihrem Aussehen stark von den adulten Käfern und haben keine Flügel. Die Larven der Schildkäfer haben aber andere erstaunliche Anpassungen entwickelt, mit denen sie sich vor Fressfeinden und Parasiten, die ihre Eier in ihnen ablegen wollen, schützen. Erstens sind ihre Körper mit Stacheln geschützt, die ihren Umriss weniger sichtbar machen. Zweitens haben sie an ihrem Rücken ein Paar kleiner Gabeln, mit denen sie sich verteidigen können. Und drittens bauen sie am Ende dieser Gabel ein schützendes Schild aus Kot und abgeworfener Haut auf. Die Form, Größe und Struktur dieses Kotschildes unterscheidet sich stark zwischen verschiedenen Arten. Die Schilde scheinen den Larven dabei zu helfen, sich gegen Fressfeinde und Parasiten zu schützen, ihre genaue Funktion ist jedoch noch nicht vollständig verstanden. Bei dem europäischen Distelschildkäfer Cassida rubiginosa Müller zum Beispiel hilft das Schild wirksam gegen Parasiten und allgemeine Fressfeinde, nicht jedoch gegen ihren Hauptfeind, die spezialisierte Papierwespe Polistes dominulus. Es wird angenommen, dass die Schilde abstoßende Substanzen, z.B. Terpene, enthalten, jedoch wurde das bisher kaum untersucht.

In unserem Labor arbeiten wir mit der Art Cassida rubiginosa, dem Distelschildkäfer. Seine wichtigste Wirtspflanze ist die Acker-Kratzdistel. Er ist in Eurasien heimisch, wurde aber zur Bekämpfung von Disteln in landwirtschaftlichen Gebieten absichtlich in die USA und nach Neuseeland eingeführt.

Projekt mit diesem Modellorganismus:

Interaktionen zwischen Disteln, endosymbiontischen Pilzen und pflanzenfressenden Käfern

KAFFEEKIRSCHENKÄFER

Der Kaffeekirschenkäfer (Hypothenemus hampei (Ferrari)) ist jener Insektenschädling, der weltweit am meisten Ernteausfälle bei Kaffee anrichtet. Er war ursprünglich endemisch in Afrika, d.h. er kam nur dort vor. Heute jedoch lebt er in fast allen kaffeeproduzierenden Ländern.

Der Käfer verursacht Schaden, indem ein Weibchen Tunnelsysteme („Galerien“) durch die zwei Samen (Kaffeebohnen) einer Kaffeekirsche bohrt, um eine neue Kolonie zu gründen. In diese Tunnel legt sie ihre Eier. Nach dem Schlüpfen fressen die Larven die Samen und reduzieren damit die Menge und Qualität der Ernte. Die Geschwister paaren sich in ihrem Geburtsnest in der Kaffeekirsche. Anschließend verlassen die befruchteten Weibchen unter günstigen Bedingungen die Kaffeekirsche, um eine neue Kaffeekirsche zu besiedeln.